In einem Artikel wurde jüngst die Frage gestellt, ob es günstiger sei, eine eigene CRM-Lösung entwickeln zu lassen oder eine der vielen Lösungen am Markt zu benutzen. Eine spannende Frage, die der Autor aber für mich von zu wenigen Seiten beleuchtet hat. Er hat es vor allem von der Kostenseite betrachtet.
Die Ausgangsthese im besagten Artikel war:
A lot of businesses, especially startups and small to mid-sized companies, are initially put off by the CRM development costs and/or requiring monthly payments set by the top industry players like Oracle, SalesForce and others.
Es gibt nicht nur Salesforce
Auch wenn Salesforce eine Einsteigerversion bietet, es ist im „Enterprise-Level“ definitiv eher für große Vertriebsmannschaften ausgelegt. Diesen Enterprise-Level nimmt der Autor als Berechnungsgrundlage. Er geht von 25 Nutzern aus, für die jeweils 125 US-Dollar fällig wären. Eine wirklich hohe Summe.
25 users X $125 = $3,125 per month = $37,500 per year = $187,500 for 5 years.
Betrachtet man es so, kommt tatsächlich einiges zusammen. Laut seinen Angaben muss man für eine Eigenentwicklung ca. 50.000 US-Dollar rechnen. Die Frage ist nur, welche Features sind darin enthalten, die denen eines Enterprise-Level-Tools entsprechen?
Und hier beginnt für mich das eigentliche Problem: Die meisten Unternehmen, die eine Eigenentwicklung in Erwägung ziehen, kennen zu wenige Tools.
Zu wenige Tools kennen
Der Markt für CRM-Tools ist riesig. Es gibt vermutlich zig Tausende Tools, sie alle zu testen, ist unmöglich. Dennoch sollte man etwas Zeit investieren, um verschiedene Lösungen genauer unter die Lupe zu nehmen. Das gilt auch, wenn man eine eigene Lösung entwickeln möchte. Nur so bekommt man ein Gefühl dafür, was sinnvoll ist und was nicht, unter anderem welche Felder oder welche Features.
Interessant sind hier vor allem die kleinen Dinge, die auf den ersten Blick unspektakulär sind, aber den Vertriebsalltag enorm erleichtern können. Ich habe eine Liste mit neun coolen CRM-Features zusammengestellt, sie zeigt eine kleine Auswahl.
Worauf soll der Fokus liegen?
Statt wahllos ein Tool nach dem nächsten durchzuklicken, ist es ratsam, sich vorab zu überlegen, was brauchen wir eigentlich? CRM-Tools haben meist einen bestimmten Fokus, unter anderem:
- Organisation der Vertriebs-Pipeline
- Leads-Bearbeitung
- „reine“ Kontaktverwaltung
- Kundenbeziehungsmanagement (z. B. E-Mail-Marketing-Funktionalitäten oder Automatisierungen)
Die Liste ist definitiv nicht vollständig. Sie dient nur als Veranschaulichung, was CRM-Tools heute abdecken. Mehr dazu finden Sie auch im Artikel „Was ist das beste CRM-Tool?“
Wer „nur“ eine Lösung zur Kontaktverwaltung braucht, vor allem aber Systeme mit anderem Fokus anschaut, kommt recht schnell zum Schluss: Wir brauchen eine Eigenentwicklung.
Was brauchen Sie wirklich?
Die meisten haben eine gewisse Vorstellung, was das Tool können soll: am besten die eigenen Prozesse abbilden. Aber ist das denn wirklich sinnvoll? Nur weil sich ein gewisser Ablauf im Unternehmen etabliert hat und funktioniert, heißt es nicht, dass dieser nicht besser gestaltet werden kann.
Ich finde es hilfreich, ein Flussdiagramm der verschiedenen Prozesse aufzumalen. Also, wie ist der Ablauf von „Erstkontakt“ bis „Abschluss“. Hier ein Beispiel, wie der Workflow für „Qualify Sales Lead“ in OroCRM abgebildet werden kann.
Was passiert beispielsweise, wenn der Kontakt auf ein Angebot nicht reagiert oder es ablehnt? Wie sieht der Prozess dann aus? Oft wird so ersichtlich, wie wenig systematisch in einigen Bereichen vorgegangen wird.
Maßanfertigung vs. Non-CRM-Tools
Viele Hersteller sind bemüht, ihre CRM-Tools stetig weiterzuentwickeln, neue Features hinzuzufügen, die Usability zu verbessern. Bei Eigenentwicklungen sehe ich die Gefahr, dass man viele Neuerungen nicht mitbekommt und langfristig eine Lösung hat, die in einigen Jahren altbacken ist. Es stellt sich außerdem die Frage, ob es mit 50.000 US-Dollar wirklich getan ist, ob Sie nicht besser mit einer Lösung von der Stange fahren und diese anpassen, wie etwa bei Open-Source-Varianten.
„Wir haben genügend Inhouse-Ressourcen“
Einige Unternehmen überlegen, ob sie nicht eigene Entwickler dafür einsetzen. Das kommt unter Umständen billiger. Nur, wie viel Zeit kann investiert werden, Stichwort „Auslastung“.
Viel wichtiger ist jedoch, wer kümmert sich um die Pflege oder die Weiterentwicklung? Oft genug bleibt genau das auf der Strecke, weil Kundenprojekte eine höhere Priorität haben.
Trello als CRM-Ersatz? Keine gute Lösung!
In ihrer Not, weil es anscheinend kein passendes CRM-System gibt, fangen Unternehmen an, Tools, die bereits im Einsatz sind, auch für die Kundenverwaltung zu nutzen. Schwierig. Nicht, weil es immer eine dezidierte CRM-Lösung sein muss. Nein, weil häufig etwas eingesetzt wird, das dafür nicht ausgelegt ist, zum Beispiel Trello.
„Unser Unternehmen hat ganz spezielle Anforderungen.“
Schwer vorstellbar, dass es heutzutage noch eine Branche gibt, für die kein System zur Kundenverwaltung entwickelt wurde. Aber natürlich, es gibt nicht das Tool, das absolut zu 100 Prozent zu den eigenen Bedürfnissen passt. Open-Source-Lösungen bieten jedoch eine gute Grundlage, auf der sich aufbauen lässt.
Fazit
Ich glaube nicht, dass eine komplette Eigenentwicklung in vielen Fällen wirklich sinnvoll ist. Hier noch einmal die Zusammenfassung der wichtigsten Punkte.
1. Es gibt genügend Tools, die vermutlich einen großen Teil von dem abdecken, was man braucht. Sie müssen für die Recherche nur etwas Zeit investieren, was Sie auch tun sollten, wenn Sie ein maßangefertigtes CRM haben möchten. 2. Häufig steckt hinter „es gibt keine passende Lösung“ ein strukturelles Problem. Sie wollen damit die eigenen Prozesse abbilden. Aber sind sie so sinnvoll? Können Sie hier etwas optimieren? Gibt es überhaupt Prozesse?
2. Häufig steckt hinter „es gibt keine passende Lösung“ ein strukturelles Problem. Sie wollen damit die eigenen Prozesse abbilden. Aber sind sie so sinnvoll? Können Sie hier etwas optimieren? Gibt es überhaupt Prozesse?
3. Eigenentwicklung heißt, nicht von der Weiterentwicklung anderer zu profitieren. Ich sehe die Gefahr, dass das eigene „Produkt“ langfristig gegenüber anderen Tools ins Hintertreffen gerät, was neue Features oder Usability betrifft. Es sei denn, Sie investieren kontinuierlich in dem Bereich. Ist das aber auf Dauer günstiger?
4. Non-CRM-Tools als Ersatz sind selten sinnvoll. Tools wie Trello oder Slack sind die schlechteren Alternativen, da sie vom Featureumfang nicht auf Kundenbeziehungsmanagement (CRM) auslegt wurden.
Wie stehen Sie zu dem Thema? Haben Sie vielleicht eine Eigenentwicklung im Einsatz? Was waren die Gründe?