Das nachfolgende Interview ist gekürzt, um nicht den Rahmen zu sprengen. Das vollständige Interview (über 3.500 Wörter) können Sie hier herunterladen. Es lohnt sich.
Was gefällt dir an der Kaltakquise?
Ich rede wahnsinnig gerne mit Menschen, aber ich mag den Begriff Kaltakquise überhaupt nicht. Kalt klingt ja gleich so widerwillig, so ungemütlich. Ich nenne es viel lieber telefonische Akquise. Die ist ein Instrument von vielen im Vertrieb. Man kann sie machen, muss man aber nicht. Es gibt so viele andere Wege, um erfolgreich zu akquirieren.
Das Telefon hat dennoch einen großen Vorteil: Es funktioniert unheimlich flott. Man weiß sehr schnell, wer wirklich ein potentieller Kunde ist. Man kommt leicht ins Gespräch und erfährt unglaublich interessante Dinge. Das finde ich toll.
Dazu kommt: Ich habe keine Hemmung, anzurufen und von der Sekretärin bis zum Vorstand mit den Menschen zu sprechen. Das ist vielleicht für Menschen, die nicht gerne am Telefon reden, eher ein Problem.
Gibt es Branchen/Produkte, bei denen Telefonakquise nicht funktioniert. Ich höre immer wieder: Bei uns funktioniert das nicht.
Sagen wir so, ich hatte schon Projekte, die nicht liefen. Beispiel: Eine Software, mit der Automobil-Zulieferbetriebe Angebote schreiben und nachverfolgen können. Damit sind wir Anfang 2009 an den Markt gegangen. Das ging damals gar nicht. Wir hatten die Finanzkrise. Ich habe dem Kunden gesagt, wir müssen das Projekt stoppen, es machte keinen Sinn. Die Zulieferbetriebe waren unglaublich in Habachtstellung. Entweder hatten sie wirklich kein Geld für irgendwelche Investitionen oder sie wollten das Geld auf gar keinen Fall für irgendetwas ausgeben, bevor sie nicht klarer sehen konnten, wohin es in Zukunft geht.
Aber es hatte tatsächlich diese Rahmenbedingungen und lag nicht daran, dass Telefonakquise bei gewissen Sachen nicht funktioniert?
Es gibt wirklich Projekte, um mal in der Goldgräbersprache zu sprechen, bei denen man viele, viele Steine umdrehen muss, um Nuggets zu finden. Da stellt sich natürlich immer die Frage: Lohnt sich das? Oder gibt es kostengünstigere und trotzdem erfolgreiche Akquisekanäle?
Wenn es nicht funktioniert, hat es immer Gründe. Wollen wir gleich auf einige zu sprechen kommen?
Gerne!
Viele Unternehmen machen sich einfach nicht mehr die Mühe, genau, wirklich sehr genau hinzuschauen, wer ihre potentiellen Kunden sein können.
Das bedeutet, wenn ich nur ein bisschen wild in der Gegend rumstochere, was bei den meisten meiner Kunden bedeutet irgendwo im Mittelstand, dann werden Telefonakquise-Projekte oft sehr mühsam. Im Vorfeld wurde meist nicht genug Arbeit in die Vorarbeit gesteckt, wirklich in die Tiefe zu gehen, zu gucken, wer soll und kann wirklich unser Kunde werden und aus welchen Gründen? Was können wir für ihn tun, für welche seiner „Wunden“ haben wir das passende Pflaster? Wie können wir ihn adressieren, wie können wir ihn ansprechen, damit er versteht, dass wir die Lösung haben, nach der er bewusst oder unterbewusst sucht. Unternehmen, die in diese Vorarbeit Zeit, Geld und Gehirnschmalz reinstecken, sind, was die Akquise angeht, viel, sehr viel erfolgreicher.
Andere sagen: Ich nehme die Hoppenstedt-Datenbank, PLZ 4 und dann alle Unternehmen im Umkreis von 100 km um Düsseldorf. Kann man machen, aber man muss sich im Klaren sein, dass das sehr unspezifisch, der Streuverlust hoch und der Ausgang ungewiss ist.
Viele Unternehmen glauben, sie müssen versuchen, alle als Kunden zu kriegen. Dass sie sich damit sehr viel Arbeit machen und am Ende vielleicht die falschen Kunden haben, ist ihnen nicht so klar. Dafür gibt’s aber Leute wie mich und dich, die entsprechend beraten und sagen: Würde ich jetzt machen oder nicht. Ich habe auch schon Kunden aus dem Thema Telefonakquise rausgeschwätzt.
Was sind typische Fehler, die viele bei der Telefonakquise machen?
Das fängt bei der Ansprache an, geht mit dem Leitfaden weiter und hört bei der Verabschiedung auf, die oft schlicht pampig ist.
Ein Leitfaden nach dem Motto „erst sag ich, dann sagt er, dann sag ich, dann sagt er“ ist grauenvoll. Eben diese Leute reden zu viel und fragen zu wenig, hören noch viel weniger zu.
Ich vergleiche dagegen einen Gesprächsleitfaden immer gern mit einem Treppengeländer. Jeder Mensch ist in der Regel in der Lage, eine Treppe freihändig zu gehen. Ein Geländer ist dazu da sich festzuhalten, wenn man stolpert. So verstehe ich einen Leitfaden.
Ich denke, es ist eine gute Idee, Notizen bei sich liegen zu haben mit Punkten, über die ich sprechen, die ich von einem Kunden hören möchte. Es hilft, sich auch darüber Gedanken zu machen, worüber soll der mir jetzt etwas erzählen. Ich finde, bei einem Telefonat sollte der, mit dem man spricht, mehr reden als ich. Entschieden mehr reden. Ich will von ihm etwas hören.
Wichtig ist aber auch, zwischen den Zeilen zuzuhören. Die Leute erzählen einem doch auch Dinge, nur durch den Ton, wie sie etwas sprechen, ohne dass man es ausgesprochen haben muss.
Und ganz fatal ist es, gleich am Anfang zu sagen: Stör ich gerade? Also in dem Moment, in dem jemand fragt „Stör ich?“, stört er. Da kommt der andere ja erst auf die Idee, dass er stört. Also, wer so fragt, der stört sowieso. Der kann sich selbst schon die Antwort geben.
Ich störe nie. Ich komme manchmal ungelegen, das stimmt. Aber wer den Telefonhörer abnimmt, der macht das freiwillig, niemand muss abnehmen. Es gibt einen Anrufbeantworter.
Menschen sind nur so wahnsinnig neugierig, die wollen immer wissen, wer anruft. Viele Leute heben ab und sagen, ich bin gerade auf dem Sprung ins Meeting. Ich verstehe nie, warum sie dann ans Telefon gehen, aber Bitteschön. Dann komme ich natürlich ungelegen, aber ich sage nicht, ich störe.
Wie bereitest du dich vor? Viele recherchieren stundenlang im Netz, um dann doch nicht den Hörer in die Hand zu nehmen. Was recherchierst du vorab?
Ich gucke mir immer das Unternehmen an, mit dem ich spreche. Ich will wissen, was die tun, produzieren sie Biojoghurt oder Schrauben? Bauen sie Atomkraftwerke oder Überseedampfer? Anhand der Website gewinnt man so einen leichten Eindruck von dem Unternehmen: Sind sie innovativ? Gehen sie auf irgendwelche Messen? Das schaue ich mir an, dazu recherchiere ich die passenden Ansprechpartner.
Welche Tipps kannst du Anfängern geben? Was kann man tun, um Frusterlebnisse bei der Kaltakquise zu vermeiden?
Viele haben die Angst vor einem NEIN oder sagen, es macht mich fertig, wenn alle nicht wollen. Wenn man sich mal anguckt, wie man selber so strukturiert ist, dann wird einem klar, wie oft man zu irgendwelchen Kaufangeboten Nein sagt. Sei es die Werbung in irgendeiner App, bei einer Anzeige in der Zeitung, auf einem Plakat, auf einem Auto, in der U-Bahn. Wo auch immer.
Jeder darf Nein zu allem sagen, was ihm angeboten wird. Bei der Akquise geht es doch nur darum, die herauszufiltern, die Vielleicht oder Ja sagen. Das ist eben ein Prozess. Und dazu gehören alle, die Nein sagen. Und wenn man sich das verinnerlicht, dann lernt man, das Nein nicht mehr so schwer zu nehmen.
Am Anfang tut es vielleicht weh, weil es immer gegen das eigene Baby geht. Jeder möchte, dass das eigene Kind für schön befunden wird. Das ist so, das ist ein Naturgesetz. Man muss sich da ein dickeres Fell anlegen. Und sich immer klar machen, wer Nein sagt, wäre sowieso ein blöder, weil unpassender Kunde. Der hätte vielleicht nicht mal das Geld, einen zu bezahlen. Wenn man sich das so vorstellt, denkt man sich: Glück gehabt. Der nicht. Prima.
Wie oft hakst du eigentlich nach? Zwei, drei, vier Mal?
Ich habe eine Regel, die ich breche. Ich lasse ganz oft meinen Bauch entscheiden, oder ich bespreche das mit meinem Kunden. Also, ich probiere es sieben Mal und wenn ich da nichts erreicht habe, gehen sie in die zweite Runde. Oder in die dritte, vierte. Es gibt auch Unternehmen, da erreicht man den Ansprechpartner nie. Die kenne ich manchmal schon von anderen Projekten und lege sie gleich ad acta. Manchmal ist es nur eine Frage des Gefühls.
Es gibt eine kleine Geschichte dazu. Ich habe für ein Bauingenieurbüro akquiriert und mit einem kleinen Forschungsunternehmen telefoniert. Der Ansprechpartner sagte: „Frau Bloch, Sie sind aber auch hartnäckig.“ Ich hatte zu dem Zeitpunkt das sechste oder siebte Mal mit ihm gesprochen, und er konnte immer nicht. Ich habe ihn zwar erreicht, aber ich habe nichts erreicht bei ihm.
Ich habe dann zu ihm gesagt: „Und Sie können sich nicht entscheiden. Sie sagen immer: Vielleicht. Und so lange Sie Vielleicht sagen, versuche ich es wieder. Wenn Sie hier und heute Nein sagen, dann hört das auf. Oder Sie sagen Ja, und mein Chef kommt zu Ihnen.“
Man muss sich auch mal etwas trauen.
Dann hat er einige Zeit nichts gesagt. Die Pausen muss man aushalten, nicht dazwischen quatschen, sondern einfach warten, bis der andere wieder etwas sagt. Seine Antwort: „In Gottes Namen, schicken Sie ihn vorbei.“
Ich glaube, man muss dem Ansprechpartner ein wenig unter die Arme greifen und sagen: „Entscheide dich doch einfach.“
„Ich weiß noch nicht“, „Vielleicht“ oder „Ach, lassen Sie uns in zwei Monaten noch mal telefonieren“, das ist für alle Beteiligten blöd. Manchmal muss man das einfach sagen. Ich sage das auch: „Heute rufe ich an, um Butter bei die Fische zu machen.“ In norddeutschem Tonfall.
In der Regel wird gelacht. Das ist gut, wenn die Leute lachen, das ganze Hirn ist dann voller Sauerstoff. Das heißt, die sind so richtig wach und aufnahmefähig.
Gibt es Bücher/Blogs, die Leute lesen sollten?
Was mir tatsächlich ganz gut gefallen hat, ist das Buch von Tim Taxis „Heiß auf Kaltkakquise“. Das war sehr hands-on geschrieben. Auch er löst am Ende nicht das Problem, wie man an der Sekretärin oder an der Frau an der Zentrale vorbeikommt. Insgesamt waren da aber gute Ansätze drin.
Ganz gerne lese ich den Blog 99sales.de. Die schreiben gute Artikel zum Thema Vertrieb.
Sonst finde ich, wird in vielen Blogs immer wieder alter Wein in neuen Schläuchen verkauft. Am ehesten ist natürlich dein Blog zu empfehlen. Du schreibst immer gute Artikel (☺). Hast immer wieder gute Anregungen, das gefällt mir sehr gut. Und ansonsten finde ich, ganz viel selbst ausprobieren.
Das vollständige und ausführliche Interview können Sie hier herunterladen. Darin erklärt Martina Bloch, warum montags ein guter Tag für die Akquise ist. Sie gibt außerdem Tipps für den Umgang mit dem „Vorzimmerdrachen“ und für Phasen, in denen es nicht läuft.