Leads gewinnen ist ein wichtiges Thema. Ein Diskussionspanel auf der Cebit 2017, an dem ich teilnahm, hat mich veranlasst, mir grundsätzliche Fragen zum Thema Leadqualifizierung zu stellen. Sie kommen im Vertriebsalltag zu kurz, sind aber meines Erachtens entscheidend, etwa für den Erfolg einer Kampagne zur Leadgewinnung.
Was ist ein qualifizierter Lead?
Für mich ist das ein Kontakt, der als Kunde potenziell in Frage kommt. Das heißt, dass er/sie Interesse und Bedarf an dem hat, was wir anbieten. Diese Vorqualifizierung kann durch unterschiedliche Maßnahmen erfolgen:
- Telefonakquise
- ein Gespräch am Messestand
- eine Autoresponder-Serie nach einem E-Book-Download oder einer Registrierung für eine kostenlose Testversion
- Antwort auf ein Mailing (Werbebrief)
Wie unterscheiden sich gute von schlechten Leads?
Grundsätzlich ist für mich ein Lead gut, wenn ich als Unternehmen erstens weiß, dass der Kontakt als potenzieller Kunden in Frage kommt, zweitens ich alle Daten habe, um beurteilen zu können, ob sich ein Nachfassen/eine Kontaktaufnahme überhaupt lohnt.
Bieten Sie beispielsweise ein E-Book mit „20 Tipps, um als Immobilienmakler erfolgreich Kunden zu finden“, dann wird das nur einen bestimmten Personenkreis interessieren.
Registriert sich der Nutzer dafür jedoch mit mausi24@gmail.com, weiß ich zunächst überhaupt nicht, wer sich dahinter verbirgt. Daher lohnt es sich vielleicht auch, ein Pflichtfeld zur Angabe von Unternehmensgröße oder Anschrift zu haben.
Kaufinteresse vs. Kaufabsicht
Was viele Unternehmen bei Leadqualifizierungsmaßnahmen übersehen: Nur weil jemand Interesse zeigt, heißt es nicht, dass er auch kauft. Das braucht oft mehrere Monate. Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch: Nur weil jemand zögert, bedeutet es nicht, dass er kein Interesse hat.
Dean Jackson, Mitgründer des I-Love-Marketing-Podcasts, hat in seinem Newsletter eine Studie zitiert, wonach es bis zum Kauf 18 Monate dauern kann. Nur, so lange halten die meisten Verkäufer nicht durch. Sie schreiben Leads als „schlecht“ ab, weil das Gegenüber nicht sofort Ja sagt.
Leads – von Jägern und Sammlern
Was ich in diesem Zusammenhang auch beobachte: eine Jäger- und Sammlermentalität. Das heißt, Unternehmen sind sehr gut darin, neue Leads zu sammeln, aber machen wenig bis gar nichts mit den Kontakten. Und so wird auch ein guter Lead zu einem schlechten, weil zu viel Zeit verstreicht.
Jeder kann das gebrauchen, was ich anbiete
Schlecht kann ein Lead auch sein, weil man es einfach nicht schafft, ihn vernünftig zu qualifizieren. Mit ein Grund: Viele Unternehmen wissen gar nicht, wer als Kunde für sie in Frage kommt. Da reicht oft als Auswahlkriterium: alle mittelständischen Unternehmen aus dem PLZ-Gebiet 4. Aber braucht ein Metallbauer mit 250 Mitarbeitern das Produkt ebenso wie ein Software-Unternehmen mit 50 Leuten?
Wie sieht der optimale Prozess zur Leadqualifizierung aus?
Wenn Sie wissen, wer für Sie als Kunde in Frage kommt, dann ergeben sich daraus auch Maßnahmen für die Leadqualifizierung. Vertreiben Sie beispielsweise eine Software, mit der Immobilienmakler Interessenten auf Social Media identifizieren, bieten Sie vermutlich eine kostenlose Testversion an. Sie schicken dem Nutzer nach der Registrierung ein oder mehrere E-Mails mit Tipps oder mit dem Angebot, eine Live-Demo zu machen.
Sie könnten auch ein E-Book zum Thema anbieten: „Wie Immobilienmakler über Social-Media Interessenten finden“ und darüber Interessenten auf Ihr Angebot aufmerksam machen.
Haben Sie ein genaues Bild von Ihrem potenziellen Kunden, wissen Sie auch, auf welchen Plattformen Sie ihn ansprechen sollten. Um den bereits erwähnten mittelständischen Metallbauer zu gewinnen, ist Instagram vermutlich nicht die perfekte Plattform, sondern vielleicht ein Messestand oder ein Werbebrief.
Wie wird der Prozess heute durch neue Technologien unterstützt?
Die vermutlich einfachste Möglichkeit sind Newsletter. Sie lassen inzwischen sehr einfach personalisieren. Eine andere Idee sind bereits erwähnte Autoresponder. Also vorformulierte E-Mails, die nach einem gewissen Zeitraum verschickt werden. Dafür braucht es kein tiefes technisches Verständnis. Noch dazu ist es preiswert.
Anders sieht es aus, wenn ich wirklich Marketing-Automation mit Infusionsoft oder Hubspot betreiben möchte, etwa um Drip-Campaigns zu erstellen. Das heißt, wenn der Empfänger auf diesen Link geklickt hat, bekommt er eine entsprechende E-Mail, wenn nicht, eine andere. So etwas kann sinnvoll sein, um Marketingmaßnahmen gezielter zu steuern. Dafür ist aber schon eine gewisse Anzahl an Empfängern notwendig. Zudem sollte man den Aufwand nicht unterschätzen, solche Tools einzurichten – und auch die Kosten.
Datenanreicherung im CRM
Interessant sind die Möglichkeiten, Daten im CRM-Tool anzureichern. Das gibt es schon länger, etwa Social-Media-Profile einzubinden. In den letzten Monaten ging das noch ein paar Schritte weiter, Stichwort „Künstliche Intelligenz“ (KI). Wobei es die Frage ist, ob das schon KI ist oder noch Datenanreicherung.
Im zweiten Teil geht es um die Fragen, was Künstliche Intelligenz schon leistet und inwieweit sie Sie bei der Leadqualifizierung heute schon unterstützen kann. Außerdem, worauf Unternehmen der Einführung von Leadqualifizierungsmaßnahmen achten sollten und welche Stolpersteine es gibt.
Datenanreicherung vs. KI
Von Datenanreicherung spreche ich, wenn in einer CRM-Lösung Kontaktdaten um Informationen aus Social-Media-Profilen ergänzt werden, wie LinkedIn, XING, Twitter, Facebook oder ganz allgemein aus dem Web, etwa Unternehmenswebseiten.
Was bringt KI & Machine Learning für die Verbesserung des Prozesses?
Als Vertriebsunterstützung (Sales Assistent) bezeichnen CRM-Tool-Hersteller wie Zoho CRM die Möglichkeit, Empfehlungen zu geben, wann der beste Zeitpunkt für einen Anruf ist. Dafür werden Daten ausgewertet, wie: Wann hat das Gegenüber E-Mails geöffnet, wann hatte ich ihn das letzte Mal erreicht …? Je nach Wochentag unterscheiden sich die Uhrzeiten. Zia ist ein gutes Beispiel, wie Machine Learning den Vertrieb unterstützen kann.
Candace von SugarCRM schlägt dem CRM-Nutzer Produkte basierend auf dem Kaufverhalten von anderen Kunden vor. Auch sie ist eher eine Assistentin, die alle wichtigen Informationen zusammenstellt oder geeignete Follow-Up-Maßnahmen vorschlägt.
„Apollo“, die „sales science platform“ von Base, verspricht gar, Empfehlungen zu geben, mit denen der Umsatz gesteigert werden kann.
CRM-Systeme helfen, Muster zu erkennen
Zia, Apollo & Co. helfen, leichter Muster zu erkennen, indem alle Daten ausgewertet werden. Schwachstellen im Vertriebsprozess können so viel schneller aufgedeckt werden, etwa dass es zu lange dauert, bis auf Anfragen geantwortet wird. Basierend auf der Datenlage gibt es Empfehlungen, auf welche Leads man sich als erstes konzentrieren sollte (Predictive Lead Scoring).
Wo stehen die Unternehmen heute beim Thema Leadqualifizierung/KI?
Im B2B-Bereich stehen viele Unternehmen in Sachen Leadqualifizierung, geschweige denn KI, noch ganz am Anfang. Was gar nicht abwertend gemeint ist. Für sie machen die meisten neuen Features derzeit noch keinen Sinn. Sei es, weil die Zielgruppe so klein ist, dass ich keine Datenanreicherung brauche oder die Kunden nicht auf Social Media unterwegs sind.
Hürde: Datenschutz
Wenn bei Apollo von Base beispielsweise angezeigt wird, welche Mitarbeiter wie lange zum Nachhaken brauchen, ist das hilfreich. Bei größeren deutschen Unternehmen wird man damit vermutlich am Betriebsrat scheitern. Es ist eine Gratwanderung: Hilfestellung vs. Überwachung von Mitarbeitern.
Fehlende Akzeptanz bei Mitarbeitern
Viel wichtiger ist jedoch ein anderer Punkt, den ich bei Gesprächen mit Tool-Herstellern/Beratern oft höre: Die vorhandenen CRM-Systeme werden nicht richtig genutzt, Daten nicht oder mit Widerwillen eingepflegt. Hier ist noch viel Aufbauarbeit notwendig.
Silo-Denken
Aber vielleicht hilft das „Versprechen“, mehr aus den Daten zu machen, auch das Silo-Denken, das in vielen Unternehmen vorherrscht, aufzubrechen. Marketing arbeitet nicht mit Vertrieb zusammen, Service wird überrascht davon, was der Vertrieb/Marketing wieder verkauft hat und Vertriebler wissen es sowieso besser.
Diese fehlende Kooperation ist für mich die größte Hürde auf dem Weg zu „besseren“ Leads. Außerdem verhindert die mangelnde Zusammenarbeit, dass das Potenzial von CRM-Tools voll genutzt werden kann.
Was sind Empfehlungen für das Projektmanagement bei der Einführung von Leadqualifizierungsmaßnahmen?
Überlegen Sie sich vorher: Welche Kunden will ich? Je genauer das Bild, desto einfacher wird es, die entsprechenden Maßnahmen zur Leadgewinnung zu planen.
Wie können Sie Tools dabei unterstützen, die Kontakte noch individueller anzusprechen? Etwa mit Hilfe einer E-Mail-Marketing-Lösung, bei der Sie die gesammelten E-Mail-Adressen clustern können?
Überlegen Sie: Was machen wir im Anschluss mit den ganzen Kontakten? Häufig werden „gute“ zu „schlechten“ Leads, weil Sie vor lauter Leadgewinnung nicht zur Leadqualifizierung kommen. Sie bringen sich dadurch um die Früchte Ihrer Arbeit.
Machen Sie sich bewusst, dass es oft mehrere Kontaktaufnahmen braucht, bis ein Lead zu einem Kauf entscheidet. Also nicht nach dem dritten Versuch aufgeben, sondern überlegen, wie man sich regelmäßig in Erinnerung bringt. Nutzen Sie verschiedene Plattformen, also nicht nur E-Mails verschicken, sondern den Kontakt anrufen oder ein klassisches Mailing verschicken.
Zahlreiche CRM-Tools bieten inzwischen Features, die den Vertriebsprozess mithilfe von Datenanreicherung unterstützen, Empfehlungen für die Leadnachverfolgung geben (Lead Scoring) bzw. mögliche Schwachstellen aufdecken. Das funktioniert allerdings nur, wenn Daten eingepflegt werden.