Heutzutage wäre und ist es gar nicht zu schwer, ein umfassendes Bild auf Kunden zu bekommen; die Daten liegen vor, nur meist in unterschiedlichen Tools und Formaten. Zoho CRM hat daher „Connected CRM“ in ihrer Infografik über die Entwicklung von CRM als wichtigen Punkt für die Gegenwart und Zukunft aufgelistet. Und sie haben damit definitiv recht.
Bevor wir aber darauf eingehen, warum der 360-Grad-Blick auf Kunden häufig keiner ist, erst einmal was wir ganz grundsätzlich darunter verstehen.
Was heißt 360-Grad-Kundensicht?
Die 360-Grad-Kundensicht möchte eine vollständige Sicht auf den Kunden liefern, nicht nur jeweils einen Teilaspekt, je nachdem welches Tool man benutzt oder welcher Abteilung man angehört. Dazu gehören Daten aus einem CRM-Tool ebenso wie Monitoring-Tools für Social-Media, E-Mail-Newsletter, Support-Tickets, ERP. Das Feld ist riesig.
Die größte Hürde ist erst einmal, einen Überblick darüber zu erhalten, welche Daten von wem, wie erfasst werden. Neben Tools gibt es auch noch Facebook- und Twitter-Accounts sowie die immer noch weit verbreiteten Excel-Listen und natürlich E-Mails.
Die nächste Herausforderung ist, all diese Daten an einer zentralen Stelle zu Verfügung zu stellen, also zum einen die Qualität der Daten sicherzustellen, sie zu bereinigen, um etwa Dupletten zu vermeiden, aber auch auf Aktualität zu überprüfen, etwa ob der Kontakt noch beim angegebenen Unternehmen arbeitet.
Alleine das ist schon eine Herkules-Aufgabe, aber in Zeiten von künstlicher Intelligenz kann sich das gerade für größere Unternehmen durchaus lohnen, ein Stichwort lautet: Predictive Analytics.
Aber jetzt zur eingangs aufgestellten These, was uns bei 360-Grad-Kundensicht zu kurz kommt.
Big Picture – was bei der 360-Grad-Kundensicht fehlt
Nehmen Sie an, Sie haben nun all diese Daten, was machen Sie damit? Mehr verkaufen? Gezieltere Ansprache. Perfekt.
Aber wollen Sie wirklich mit diesen Kunden arbeiten? Lohnt es sich? Wollen Sie weiterhin Zeit investieren? Wie zufrieden sind eigentlich Ihre Mitarbeiter (den NPS-Score mal auf den Kopf gestellt)? Das gehört, wie wir finden, auch zu einer 360-Grad-Kundensicht.
Nun, es gibt verschiedene Ansätze, nachfolgend erst einmal zwei.
1. ABC-Analyse
Sie können Kunden unterteilen in A, B, C, je nach Bedeutung. Hier spielen Umsatz, Deckungsbeitrag mit rein. Aber wie schätzen wir das Potenzial ein und woran machen wir das fest? Ein Customer nicht nur ein Lead Scoring.
Gerade hier kommt Predictive Analytics zum Tragen. Lucas Pedretti hat in diesem Interview beispielsweise die Frage aufgeworfen: „Welche Kunden können mehr kaufen?“ Und je mehr Daten Sie erfassen/haben, desto genauer der Blick – eine kritische Menge natürlich vorausgesetzt.
2. Umgekehrter NPS
In vielen Unternehmen werden Kunden regelmäßig gefragt: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen/Marke X einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden, auf einer Skala von 0 (unwahrscheinlich) bis 10 (äußerst wahrscheinlich)?“ Das Feedback hilft, die Kundenzufriedenheit zu messen. Als sogenannte Detraktoren werden dann diejenigen bezeichnet, die mit 0 bis 6 antworten, also eine Weiterempfehlung ausschließen, Promotoren, die eine 9 oder 10 vergeben.
Aber warum nicht die eigenen Mitarbeiter das ebenfalls fragen: „Wie groß schätzt du das Potenzial von Kunde Mustermann ein? Wie bewertest du die Kundenbeziehung und wie gerne arbeitest du mit diesem Kunden zusammen?“ Das komplettiert die Sicht.
Denn wenn man schon mit der berühmten Faust in der Tasche E-Mails schreibt oder anruft, wie sehr wird man sich dann um den Ausbau der Kundenbeziehung bemühen? Da hilft die vermeintliche 360-Grad-Kundensicht nichts und kann das Potenzial noch so groß sein; es wird nicht ausgeschöpft.
Daher: 360-Grad-Kundensicht kann unseres Erachtens nur funktionieren, wenn Sie auch den Blick von innen erfassen, etwa durch anonyme Umfragen/Bewertungen der eigenen Mitarbeiter, gerade bei A- und B-Kunden. Oder wollen Sie das besser nicht wissen, was Ihre Mitarbeiter denken?
Was meinen Sie? Oder machen Sie das bereits? Wie sehen Ihre Erfahrungen damit aus?